“Eigentlich muss man vor dieser CD warnen. Denn manche Stücke sind so schlicht-raffiniert gebaut und gespielt, dass sie über einen außerordentlich hohen Suchtfaktor verfügen. Track Nummer fünf beispielsweise, ein Stück namens “Mara’s Lullaby”, ist knapp vier Minuten lang. Vier Minuten, in denen man niederknien möchte.
Der Augsburger Saxofonist Christian Elin (er spielt Sopran- und Altsaxofon und Bassklarinette) hat eine neue CD herausgebracht, diesmal zusammen mit der aus Venedig stammenden Pianistin Anna D’Errico. Außerdem spielen bei einzelnen Stücken Sebastian Hausl (Marima und Perkussion), Bastian Jütte (Drums) und Wolfram Oettl (Cembalo) mit.
Die Scheibe heißt “Back to Yourself”. Der Titel ist programmatisch. Christian Elin hat sich auf sich selbst konzentriert und seinen eigenen Ton – bei dem es Anklänge von Jazz, asiatischer und Filmmusik, aber auch spätmittelalterliche Einflüsse gibt – geschärft, präzisiert. Es sind traurige und lebensfrohe, verspielte und getragene Stücke, die Elin auf der CD versammelt, von Komponisten wie Marc Mellits (von dem “Mara’s Lullaby” stammt), Graham Fitkin oder Peter Michael Hamel. Kein Komponist ist vor 1947 geboren. Der Schwerpunkt liegt also eher auf der Neuen Musik. Was nicht heißt, dass man Klangchaos befürchten müsste. Im Gegenteil: Elins Spiel, immer klar kontrastiert von seiner Partnerin am Piano, ist hochintensiv und virtuos in den zügigen und von einer großen Tiefe in den langsamen Passagen. Was übrigens auch für den einzigen von Elin selbst komponierten Track auf der CD gilt. Er heißt “May” und gehört zu den Suchtstücken.”
Bert Strebe
“Wie kann ein Mensch mit Musik zu sich selbst finden? Wie gelangen Komponisten zu ihrem unverwechselbaren Stil? Für seine neue CD hat der Saxophonist und Komponist Christian Elin eigene und acht Werke von Kollegen zusammengestellt. Kongenial begleitet von Künstlern wie der Pianistin Anna D’Errico, beweist Elin mit warmer Tongebung und lebendigem Duktus: Viele Wege führen zum eigenen Ich. Bei Graham Fitkins “Gate” etwa klingt dieser Weg minimalistisch und ist voller Energie. Peter Michael Hamels’ “Anverwandlungen” evozieren Gamelan- und Raga-Welten. Als archaisches, orientalisch gefärbtes “Kabinettstück” kommt dagegen Manfred Stahnkes computergestütztes “khorshid ziba” daher und Christian Elins jazzig angehauchte Komposition “May” klingt einfach betörend.”
Dagmar Zurek
“Vom ersten Moment an nimmt diese CD für sich ein. Der Ton von Saxofonist Christian Elin und der Anschlag der venezianischen Pianistin Anna D’Errico, denen sich später weitere Musiker aus der Augsburger Region – Sebastian Hausl an Marimba und Percussion, Bastian Jütte am Drum-Set, Wolfram Oettl am Cembalo – beigesellen, bezaubert durch seine Vollkommenheit und Beseeltheit.
“Back to yourself” heißt die CD, benannt nach einem Stück des Kirchenmusikers Stefan Nerf. Ihr Name ist Programm. Im Trubel innehalten, wieder zu sich selbst kommen, das sollte jeder immer einmal wieder. Diese Aufnahme ist eine passende Begleitung dabei. Die eingespielten Werke sind ausnahmslos zeitgenössisch, die meisten von ihnen sogar Ersteinspielungen. Alle wirken wohltuend.
Der sanfte, verspielte, hymnisch-arkadische, ruhig, aber flott laufende, meditative, besinnlich stimmende Charakter bleibt durchwegs. Zum Abschluss gibt es ein “Haschmich”: “Die schöne Sonne” von Manfred Stahnke ist ein Hoquetus, eine alte Satzform, auch “Schluckauf-Technik” genannt, das die Linie auf beide Spieler aufteilt und ein virtuos hopsendes Nacheinander-Zusammenspiel abverlangt. Der Komponist nennt das Ergebnis wie von einer “merkwürdigen Spieluhr” gespielt, allerdings mit hörbar weitem Hintergrund – ein wunderbar leichtfüßiger Ausklang.
Viele der Stücke sind nicht nur zeitgenössische Klassik mit Anklängen an den Modern Jazz und das moderne Kirchenlied, sondern buchstäblich Weltmusik, bedienen sich Techniken des Mittelalters oder arabischer, indischer, persischer Skalen wie Peter Michael Hamel in seinen minimalistisch-fließenden “Anverwandlungen”.
Estnische Gesänge klingen in Lepo Sumeras melodiös rezitativischem “Senza metrum” an.
Einzig Enjott Schneiders dreisätziges “Lotus-Mandala” für Bassklarinette, Cembalo und Klavier erweitert die traditionellen Spiel- und Klanggrenzen, wirkt exotisch, bisweilen tapsig wie Griegs “Marsch der Trolle”, erinnert an Gamelanorchester.
Teils Programmmusik sind die reduziert-stimmungsvollen “Drei Meditationen” von Minas Borboudakis. Das Resonanz-Flirren im zweiten Stück, das der sprechenden Saxofonmonodie folgt, verklanglicht Jesu Gang durch die Wüste, der sich vom Teufel verfolgt glaubt. “Dabei hört er sich selbst”, steht im Booklet. Die Entdeckung seiner Einsamkeit in der Wüstenweite ist auch für den Hörer fühlbar.
Einige Werke lassen improvisatorischen Freiraum, den Christian Elin und Anna D’Errico beflügelt betreten: Das Ergebnis stimmt zur komponierten Umgebung, wie das Zusammenwirken aller vollkommen harmonisch klingt. “Back to Yourself” ist eine musikalische Wohltat.”
Stephanie Knauer
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